Interview mit Tessa Koschig, Buchautorin und Speakerin
Tessa, du bist eine der ersten Botschafterin der Goslarer Zivilcouragekampagne
(GZK), die bei Gewalt oder Notsituationen zum Hinsehen, Handeln und Helfen,
zumindest den Notruf 110 zu wählen, auffordert. Wie kann man den Bürgerinnen
und Bürgern Mut zur Zivilcourage machen, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht?

Als Botschafterin der GZK und als Polizistin weiß ich: Prävention und Zivilcourage
beginnen nicht erst beim Einschreiten, sondern damit, dass wir uns alle bewusst
machen, dass Gewalt und Sexismus gegen Frauen keine Randthemen sind. Es ist
bedauerlicherweise eine gesellschaftliche Realität, die uns alle betrifft. Mut zur
Zivilcourage entsteht durch Wissen, Haltung und die Einstellung, dass jeder Beitrag
zählt. Wir können in unterschiedlichen Rollen betroffen sein: Opfer, Zeugen,
Entscheidungsträger. Umso wichtiger sind das Bewusstsein um das Thema, die
Entscheidung Verantwortung zu übernehmen sowie zu wissen, wie wir uns verhalten
und helfen können. Zivilcourage bedeutet auch ungefragt zu helfen.
Was meinst du genau mit Bewusstsein und Verantwortung und welche
Verhaltenstipps sind das?
Was wir brauchen, ist eine Kultur des Hinschauens. Eine, in der wir uns gegenseitig
stärken, statt zu schweigen. Und vor allem, indem wir Haltung zeigen und Taten nicht
klein reden: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein lustiger Spruch, bei dem
Frauen keinen Spaß verstehen. Femizide sind keine Beziehungstaten und häusliche
Gewalt keine familiären Streitigkeiten. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass es
solche Taten gibt und dass wir sie nicht klein reden.
Das bedeutet gleichermaßen Verantwortung für Helferinnen und Helfer: Zivilcourage ist
kein Heldentum, sondern Menschlichkeit in Aktion. Es geht nicht darum, sich selbst in
Gefahr zu bringen, sondern darum, Signale zu erkennen, Hilfe zu holen und Haltung zu
zeigen. Das kann mit einem einfachen, aufbauenden Satz beginnen oder ein Anruf bei der Polizei sein.
Tessa, du hältst seit Jahren bundesweit Vorträge u.a. vor Gleichstellungsbeauftragten, arbeitssuchenden Frauen und weiblichen Führungskräften zum
Thema Female Empowerment. Inwieweit können deine Vorträge, die z.B.
Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein beinhalten, gewaltpräventiv wirken?

Als Polizistin habe ich mich nicht nur theoretisch in der Ausbildung, sondern leider auch in der Praxis mit dem Phänomen der Häuslichen Gewalt befassen müssen. In
Gesprächen mit von Gewalt betroffenen Frauen habe ich häufig feststellen müssen,
dass – neben finanziellen oder kulturellen Aspekten – auch der fehlende eigene
Selbstwert eine Rolle spielt. Heute verbinde ich meine polizeiliche Erfahrung mit Empowerment-Arbeit: In meinen Workshops und Vorträgen erlebe ich, wie stärkend und inspirierend es wirkt, wenn Frauen verstehen, dass sie sich nicht alles gefallen lassen müssen. Ich unterstütze Frauen darin, innere Stärke und Mut zu entwickeln, Nein zu sagen, Grenzen zu setzen und für sich selbst einzustehen.
Tessa, du hast gerade ein Buch „Glow your own way“ mit vielen Skills veröffentlicht.
Können deine Tipps auch Frauen die Gewalt erfahren ermutigen, stark zu werden und sich Hilfe zu holen?

Als Empowerment-Coach weiß ich, wie entscheidend innere Stärke, Klarheit und
Selbstwirksamkeit sind, um sich aus toxischen Strukturen zu lösen. Mein Buch bietet keine schnellen Lösungen, sondern Tools, die Frauen befähigen, ihre eigene Stimme wiederzufinden. Innere Stärke zurück zu gewinnen, ist kein Sprint, sondern ein Weg, der mit einem ersten Schritt beginnt. Ein solcher kann mein Buch „Glow your own way – Dein Weg zu mehr Selbstbewusstsein!“ sein. Hierin empowere ich die Leserinnen zu
mehr Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Ich spreche darin über
Selbstbewusstsein, innere Sicherheit und den Mut, sich selbst wieder zu vertrauen. Für
Frauen, die Gewalt erfahren haben, kann das der erste Impuls sein, sich nicht länger
klein halten zu lassen, sondern sich selbst als wertvoll und handlungsfähig zu erleben.
Mir ist wichtig zu betonen, dass nicht die Frauen Schuld haben oder das Problem sind
und deshalb an sich arbeiten sollen. Female Empowerment bedeutet, dass Frauen ihren
Wert erkennen und realisieren, dass sie nicht alles aushalten und ertragen müssen.
Hierzu bedarf es oftmals Unterstützung und den Mut, danach zu fragen. Gleichzeitig ist
es wichtig zu wissen, dass Opfer aus Scham oder Angst nicht unbedingt um Hilfe fragen.
Wertvoll sind deshalb für die Betroffenen regionale Netzwerke, wie z.B. das Goslarer
Netzwerk gegen häusliche Gewalt sowie überregionale Ansprechpartner wie der Weiße Ring.
